5. Dezember

Noch eine Stunde bis die Sonne aufgeht. Bruno dreht sich im Bett hin und her. Das Schnarchen vom anderen Ende seiner Höhle ist kaum auszuhalten. Wie kann ein Esel so laute Geräusche machen?

Gestern konnten sie nicht mehr miteinander reden. Mit Mühe und Not hatten sie Wilhelm beruhigt und davon überzeugt, dass er viel zu erschöpft war, um weiter zu ziehen. Ferdinand hätte ihn mit zu sich genommen, doch sein Bau war zu klein. Es blieb nur Brunos Höhle. Doch wenn Bruno gewusst hätte, dass Wilhelm so laut schnarcht, hätte er sich dagegen gewährt.

Und nun? Liegenbleiben ist unerträglich. Also aufstehen. Vielleicht hat Mama Bär schon Frühstück vorbereitet.

 

Bruno schleckt gerade den letzten Tropfen Honig von seiner Tatze, da kommt Ferdinand um die Ecke.

„Ist er schon wach?“

„Nein, er schnarcht noch.“

„Was? Der Esel schläft immer noch? Das sind doch bald zwanzig Stunden!“

„Anscheinend hat er was nachzuholen.“

„Weißt du denn schon, wo er her kommt?“

„Nein.“

„Hmm“, überlegt Ferdinand. „Wenn er jetzt noch schläft, muss er von sehr weit weg kommen.  Bestimmt noch weiter weg als der Zirkus von deinen Großeltern. Und hast du gehört, wie er spricht. Wer sagt schon ‚A-Ih‘? Ist das nicht komisch?“

„Warum?“, fragt Bruno erstaunt. „Vielleicht spricht er eine andere Sprache.“

„Kann sein. Aber komisch ist er trotzdem. Und so zottelig“

„Guten Morgen“, ertönt eine dunkle Stimme vom Eingang zu Brunos Höhle. 

Erschrocken dreht Ferdinand sich um. Wie lange steht Wilhelm schon da? Wie viel hat er gehört?

„Guten Morgen“, begrüßt Bruno seinen Gast. „Hast du gut geschlafen?“

„So gut wie schon lange nicht mehr. Danke, dass ihr mich zum Bleiben überredet habt.“

„Nicht dafür.“

„Trotzdem Danke. Jetzt muss ich aber weiter. Ich habe noch einen langen Weg vor mir.“

„Bist du dir sicher?“ Bruno sieht Wilhelm prüfend an. „Du siehst noch ganz schön erschöpft aus. Du kannst auch hierbleiben und dich weiter ausruhen.“

Mit weit aufgerissenen Augen stößt Ferdinand Bruno in die Seite.

„Na ja“, schaut Wilhelm betreten zu Boden, „ein bisschen wackelig fühle ich mich schon auf meinen Hufen.“

„Dann bleib doch hier.“ Ferdinands Mund klappt weit auf, während Bruno weiterspricht. „Ferdi und ich haben sowieso zu tun. Da stören wir dich nicht.“

Wilhelm schaut vom freundlichen Bruno zum entsetzten Ferdinand und zurück. „Meint ihr wirklich?“

„Na klar. Nicht wahr Ferdi, das ist doch in Ordnung?“ Nun stupst Bruno seinen Freund sanft an.

Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Klappt aber seinen Mund zu und seine Löffel hinunter - Wilhelm immer im Blick. Widerstrebend presst er ein „Ja, ist in Ordnung“ heraus.

„Oh Danke! Das ist wirklich nett von euch.“