23. Dezember

Puh, ist so eine Zirkusvorstellung anstrengend. Links im Kreis, rechts im Kreis, Ferdinand huckepack nehmen, über Bruno hinwegspringen, die Schlusspose. Dann das Ganze noch einmal von vorne, weil einer den Einsatz verpasst hat. Oder noch einmal ganz anders, weil Ferdinand eine neue Idee hat. Vor Wilhelms schwirrt der Kopf.

„Ich brauche eine Pause“, murmelt er und taumelt aus der Manege.

Bruno schaut besorgt hinterher. „Ist alles in Ordnung?“

„Ja, ja. Übt ihr nur weiter. Ich bin gleich wieder da.“

Mit dem Schwanz hin und her wedelnd schlurft er den Hügel hinauf. Am Waldrand setzt er sich unter eine Tanne. Tief durchatmen. So langsam bleibt der Kirchturm unten im Dorf wieder an seinem Platz. Er schließt die Augen und atmet tief ein.

„tütelü tü tü“

Wilhelm hält die Luft an. Das gibt es doch nicht. Kann dieses blöde „tütelü“ nicht einfach wieder verschwinden? Genervt lehnt er sich zurück gegen die Tanne.

 

„tütelüt ... Halte die Augen offen. Bald wirst du deine Gabe einsetzen können .... tü tü“

 

„Wer ist denn da?“

Wilhelm steht auf. Bruno und Ferdinand können es nicht sein. Die schlagen noch Purzelbäume unten in der Manege. Das blöde rote Vögelchen ist auch nirgends zu sehen, geschweige denn die bunte Kuh.

 

„tütelü ta ta ... vertraue deinem Instinkt ... tü tü“

 

Wilhelm stampft wütend mit dem rechten Vorderhuf auf den Boden.

„Hörst du jetzt endlich auf! Ich will das nicht mehr!“

Er kneift seine Augen fest zusammen und klappt seine Ohren eng an den Kopf, in der Hoffnung nichts mehr zu hören. Doch das „tütelü“ verschwindet nicht.

„La la-la la-la“

 

„Hi, trittst du auch bei der Zirkusvorstellung auf?“

Wilhelm zuckt zusammen und verstummt. Das ist eine andere Stimme. Stocksteif steht er da und dreht die Augen so weit wie möglich nach links und rechts. Niemand zu sehen. Etwas tippt ihm auf den Hintern.

„Hier, hinter dir.“

Im Zeitlupentempo dreht sich Wilhelm um. Zum Vorschein kommen ein weißes Pony und drei Schafe. Vor Schreck starrt er die Vier nur an, ohne ein Wort herauszubringen.

„Ich hab gefragt, ob du auch bei Brunos Zirkusvorstellung dabei bist“, wiederholt das Pony.

Wilhelm nickt sachte.

„Weißt du, wo wir ihn finden?“

Wilhelm deutet mit dem Kopf runter zur Manege. Das Pony folgt seinem Blick.

„Ach, da ist er ja! Hallo Bruno!“, wiehert das Pony freudestrahlend und hüpft den Hügel hinunter.

„Elisa, da bist du ja endlich! Wie schön!“

 

Die drei Schafe sind einfach vor Wilhelm stehen geblieben. Immerhin lächeln sie ihn freundlich an. Trotzdem ist Wilhelm irritiert. Warum gehen sie nicht einfach dem Pony hinterher?

„Der sieht ganz nett aus“, stellt das erste Schaf fest.

„Der erkennt die bösen Wölfe bestimmt aus zehn Metern Entfernung“, meint das zweite Schaf.

„Und er ist genauso zottelig wie wir“, freut sich das dritte Schaf.

Wilhelm guckt von einem zum anderen Schaf. Was wollen die von ihm? Doch bevor er laut fragen kann, drehen sie sich um und laufen dem Pony hinterher.

 

„Na da seid ihr ja endlich. Darf ich vorstellen? Das sind Bruno und Ferdinand. Und das sind die drei Tenöre Lutz, Karl und Emil. Ihr habt sie letztes Jahr bestimmt auch im Zirkus deiner Großeltern gesehen.“

„Hmm, gut möglich.“ Bruno versucht sich, verzweifelt zu erinnern.

„Na ja, jedenfalls brauchten sie auch mal einen Tapetenwechsel. Da dachte ich, ich bring sie einfach mit. Vielleicht habt ihr in eurem Programm auch noch einen Platz für die Drei frei?“

„Da lässt sich bestimmt etwas machen.“