15. Dezember

Ferdinand klopft mit seinem rechten Hinterlauf ungeduldig auf den Boden. „Wo bleibt denn jetzt dieser komische rote Vogel.“

„Keine Ahnung.“

„Bist du dir sicher, Bruno, dass er überhaupt existiert?“

„Aber natürlich! Ihr habt ihn doch gestern Morgen auch gehört.“

„Aber nicht gesehen!“

„Nun kriegt euch mal wieder ein“, brummt Wilhelm mit seiner sonoren Stimme. „Der wird schon auftauchen. Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es jetzt nicht an.“

Bruno, Ferdinand und Wilhelm haben ihren Schlafplatz zwischen Düne und Wäldchen seit gestern nicht verlassen. Nicht, dass sie den Vogel verpassen. Und dann müsste Bruno noch länger auf seinen Krümelkuchen warten. Und die Manege würde auch nicht rechtzeitig fertig werden.

 

Zwei Stunden später.

„tütelü“

Bruno springt auf. „Habt ihr das gehört? Das war er!“

„Vergiss es. Da war nichts.“ Ferdinand ist mittlerweile echt genervt. So viel Aufhebens um eine bunte Kuh und einen roten Vogel, den außer Bruno niemand gesehen hat.

„Doch! Ganz bestimmt!“ Bruno lauscht angestrengt. Komm Vogel. Zeig dich. Ich bin doch nicht blöd.

„tü tü tütelüt“

„Jetzt aber Ferdi. Da hinten ist er.“ Bruno zeigt in das kleine Wäldchen hinein.

„Ich hab nix gehört.“

„Das kann doch nicht sein. Du hast so große Löffel und willst nichts gehört haben? Aber du, Wilhelm. Du hast doch etwas gehört?“

Doch der zuckt nur kopfschüttelnd mit den Schultern.

 

Eine weitere Stunde später.

„tütelü ta ta, tütelü tü tü. Na, habt ihr mich vermisst?“

„Vögelchen. Endlich bist du da!“ Bruno springt von einem umgefallenen Baumstamm auf. Fast hätte er selbst daran gezweifelt, dass sie gestern miteinander gesprochen haben. „Seht ihr? Da ist er!“

„Natürlich bin ich hier. Das hatten wir ja gestern so vereinbart.“

Ungläubig starrt Wilhelm das rote Vögelchen an. Kein Wort bringt er raus. Sein Hals ist wie zugeschnürt.

Ferdinand hingegen guckt skeptisch. „Und du willst wissen, wo die bunte Kuh ist?“

„Ja, aber natürlich.“

„Und du sagst uns das auch?“

„Nein.“

„Siehst du, Bruno. Das ach so tolle Vögelchen will uns nur veräppeln. Das hat gar keine Ahnung, wo diese Kuh steckt. Wir haben ganz umsonst hier die Zeit tot gesessen.“

Bruno schluckt. „Aber Vögelchen, du hast es doch versprochen.“

„Versprochen habe ich gar nichts.“

Wilhelms Kopf sinkt tief zu Boden. „Ach kommt ihr Zwei. Das hat doch keinen Sinn. Wir werden die bunte Kuh nie finden.“ Langsam dreht er sich um und trottet Richtung Meer.

„Was bist du denn für ein Esel“, wundert sich das Vögelchen. „Ich dachte, Esel sind stur und geben nicht auf, bevor sie nicht ihr Ziel erreicht haben.“

Wilhelm trottet einfach weiter. „Dann bin ich wohl kein Esel.“ Seine Ohren schleifen zwischen den Dünengräsern im Sand.

Ferdinand und Bruno schauen sich alarmiert an. So gleichgültig war Wilhelm die ganze Reise über nicht. Und auch davor nicht, als er sich in Brunos Höhle erholt hat und ihnen mit den Baumstämmen für die Manege geholfen hat.

„Vögelchen“, fleht Bruno, „du musst uns helfen! Wo finden wir die bunte Kuh?“

Das Vögelchen zuckt mit den Flügeln. „Wenn ihr aufhört nach der bunten Kuh zu suchen, wird sie euch finden“, zwitschert es und fliegt davon.

„Häh, was war das denn?“

„Keine Ahnung“, antwortet Bruno genauso ratlos. „Immerhin war ich heute nicht der Einzige, der das komische Vögelchen gesehen hat. Aber jetzt müssen wir uns erst mal um Wilhelm kümmern.“