10. Dezember

Hügel, Wald, Tal, Wald, Fluss, Hügel. Es nimmt einfach kein Ende. Bruno, Wilhelm und Ferdinand hatten gehofft, sie kämen schneller voran. Doch bei dem trüben Wetter müssen sie immer wieder stehen bleiben und überprüfen, ob sie wirklich noch Richtung Norden wandern. Ob morgens halb neun, mittags halb eins oder nachmittags halb vier. Zu jeder Tageszeit ist es gleich dunkel. Die Sonne will sich zur besseren Orientierung einfach nicht zeigen.

 

Ferdinand sitzt im Schneidersitz auf Wilhelms Rücken und reibt sich die Fußsohlen. Seine Hasenfüße sind einfach nicht für lange Wanderungen gemacht.

„He, Ferdi, siehst du von da oben schon die sieben Berge?“

„Nee!“

„Das kann doch nicht sein“, wundert sich Bruno. „Wir sind schon mehr als einen Tag unterwegs. Eigentlich sollten wir schon längst da sein.“

„Hier sind aber nur Bäume und Sträucher zu sehen.“

„Hmm ... und wenn du dich hinstellst?“

„Och nö. Meine Füße tun doch so weh!“

„Ferdi, nun hab dich nicht so. Ist doch nur kurz zum Gucken.“

„Okay“, murrt Ferdinand, entknotet seine Beine und stellt sich auf Wilhelms Rücken. „Trotzdem nur Bäume.“ Und schwups, sitzt er schon wieder in bequemer Position.

„Keine Sträucher mehr?“

„Nö.“

„Und wenn du dich streckst?“

„War schon gestreckt.“

„Ach Ferdi.“

Ferdinand verschränkt schmollend die Arme. „Komm du doch hoch, wenn du es besser kannst.“

„Schaffst du das überhaupt, Wilhelm?“

„Aber klar. Du bist doch ein Fliegengewicht.“

 

Als sich Wilhelm hinkniet, gerät Ferdinand gefährlich ins Wanken, rutscht zur Seite, greift nach Wilhelms Ohren und kann sich gerade so noch halten. Er zieht sich wieder nach oben und rutscht diesmal so dicht wie möglich an Wilhelms Hals, die Ohren weiter fest umklammert.

Zum Glück hat sich Wilhelm neben einen von Menschen abgesägten Baum niedergelassen. So Bruno benutzt diesen als Tritt. Auf dem Rücken angekommen, ist es allerdings gar nicht so leicht, Halt zu finden. Trotz des zotteligen Fells rutschen Brunos Tatzen immer wieder ab. Einzig mögliche Position: Auf dem Bauch liegen, während Arme und Beine den Esel umarmen. So fällt er zumindest nicht runter, als Wilhelm schnaufend aufsteht.

 

Ferdinand dreht sich zu Bruno um und schaut auf ihn runter. „Und, was siehst du?“

„Sehr witzig.“ Bruno schließt seine Augen und geht im Geiste seine Yoga-Übungen durch. Der Baum könnte funktionieren. Alle Muskeln von Ohr bis zu den Tatzen anspannen, langsam auf die Hinterbeine stellen – etwas enger zusammen als sonst, Oberkörper aufrichten, Vorderbeine in den Himmel strecken. Eigentlich müsste er jetzt das rechte Bein anwinkeln, aber allein bei dem Gedanken gerät Bruno ins Wanken. Also lieber so stehen bleiben. Bruno öffnet die Augen und sieht ... ein leises Knurren entweicht ihm.

„Na? Auch nur Bäume?“ Ferdinand kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Aber immerhin nur die Baumspitzen“, antwortet Bruno zähneknirschend. „Wenn du jetzt wie im letzten Jahr bei unserer Zirkusübung auf meine Schultern steigst, siehst du bestimmt etwas.“

„Und was ist mit meinen Pfoten? Die brennen immer noch höllisch!“

„Ach Ferdi“, knurrt Bruno. „Mach einfach!“

„Okay, okay. Dann haltet aber beide still.“

Bruno spannt alle Muskeln an. Wilhelm schnauft. Ferdi klettert.

„Oh“

„Was siehst du?“

„Wir sind quasi da. Nur noch ein paar hundert Meter.“